Würde, Achtung und Respekt

Eigentlich sollte dieser Artikel einen anderen Titel bekommen, und zwar "Aufschrei vom Herzplatzerl" und noch einer fiel mir ein "Bitte auf keinen Fall lesen!". Dennoch erinnerten mich die frisch gebackenen Kekse von heute Vormittag an mein eigenes Herz, das auch ich bisweilen noch zum Still-Sein veranlasse ... Die Kekse erinnerten mich natürlich auch an die vielen anderen verdrehten Menschenherzen in unserer ach so hektisch modernen Zeit.

 

Ja - es geht mir um die Würde und um den Respekt und um das WIE! Erst in zweiter Linie um die Situationen an sich, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Den wirklichen Anlass dazu, dass ich mich jetzt zur Tastatur gesetzt habe, gaben mir die bisherigen Besuche im Pflegeheim, wo meine Mutter seit einem Jahr untergebracht ist. Ja ich weiß! Das will keiner hören oder lesen. Mit dem will man am liebsten nichts zu tun haben. Es sei denn, man ist irgendwann einmal selbst damit konfrontiert. Aber vorher? Wozu!

 

Mir geht es also um das WIE - nicht um die Tatsache, DASS eine Situation so ist,

 

 

wie sie eben ist. Die Würde alter Menschen hat in einer Pflegeabteilung meiner Erfahrung nach den letzten Stellenwert. Vorrangig geht es dort um Protokolle, um Vorschriften, um das Gelächter junger Pflegekräfte, die sich im Aufenthaltsraum entspannen, während sich draußen am Gang Hilfsbedürftige um ein paar schlürfende Schritte bemühen ... oder um Hilfe rufen, weil sie frieren ... oder drauf und dran sind, aus dem Rollstuhl zu kippen ...

 

Es ist mir wichtig, klar zu stellen, dass ich hier keine Anklageschrift verfassen möchte, weil ich sehr wohl auch nachempfinden kann, womit die Pflegerinnen konfrontiert sind. Mir geht es einzig und allein um einen würdevollen Umgang mit alten Menschen - um das WIE. Für einen betagten, schwachen Menschen ergibt es einen Riesenunterschied, ob Schwester Anna im Vorbeigehen Frau XY milde lächelnd an der Schulter tätschelt und ruft: "Ich komme eh gleich zu Ihnen", um dann eine halbe Stunde später vorbei zu schauen ... oder ob Schwester Anna Frau XY fragt: "Was brauchen Sie, Frau XY? Bin da."

 

Ich erinnere mich an viele, viele Situationen, die mir kalte Schauer über den Rücken bescherten. Und ich muss mich jetzt wirklich zusammen reißen, aus Rücksicht auf den Frieden in meinem Herzen, um nicht doch zur unerbittlichen Anklägerin zu werden, den Umgang mit unseren Alten betreffend. Dass man meiner Mutter im Winter Sommershirts angezogen hat und dünne Söckchen ... obwohl der Kasten mit bunten, warmen Pullis und langen Strümpfen gefüllt ist ... sehe ich mittlerweile fast als harmlos an, weil diese Tatsache eben nur den oberflächlichen Blick des Pflegepersonals - und damit eine Zeiterscheinung - widerspiegelt.

 

"Mutti, hast du nicht den roten Knopf gedrückt, damit wer kommt und dir ins Bett hilft?" "Oh ja, oft hab ich gedrückt, ganz oft, aber es ist niemand gekommen." Tränen und Leere ... Hoffnungslosigkeit ... Resignation ...

 

Es geht um das WIE. Gar nicht reagieren, wenn jemand Hilfe benötigt? Weil man selbst gerade Pause macht oder mit jemand anderem beschäftigt ist? Wie einfach wäre es doch,


kurz Bescheid zu geben: "Bin in 3, 5 oder 10 Minuten bei ihnen. Bitte um ein wenig Geduld". Wie oft wurde meine Mutter aufgrund des mehrmaligen Knopf-Drückens barsch gemaßregelt "Was wollen Sie denn jetzt schon wieder!?" In einem respektlosen Ton, der meine Mutter zum Resignieren brachte, zum Wurschtigkeitsgefühl ... wahrscheinlich als einzige Möglichkeit, in der Pflegeabteilung irgendwie zu bestehen zum Wohle des Pflegepersonals.

 

Ich erinnere mich an einen Sommertag auf der dortigen Terrasse im 1. Stock. Ein langer Tisch umgeben von Menschen in Rollstühlen und mit Gehhilfen. Die meisten starrten ins Leere oder ließen den Kopf hängen. Ringsherum Stille. Das war die gegebene Situation. Doch WIE der neue Pfleger damit umging, ließ mich erschauern, da er offensichtlich sehr viel Spaß hatte (?!) mit seinen Schützlingen, was er mir gegenüber sogar laut und stolz bekräftigte! Beispiele der härteren Art hätte ich noch sehr viele ...

Nachdem es aber legitim zu sein scheint, WIE man mit alten Menschen teilweise verfährt, erspare ich mir das oder hebe es mir für später auf. Unsere Alten haben uns etwas voraus - ein ganzes, langes, ereignisreiches Leben! Und anstatt sie jetzt - wo sie wirklich nicht mehr so können, wie sie gerne möchten - ins Abseits der Würdelosigkeit zu stellen, könnten wir uns mit einen bisschen gutem Willen auf das WIE und auf die WÜRDE im Umgang mit diesen Menschen konzentrieren.

Als Ikone des Spiegelgesetzes (so werde ich des Öfteren genannt) ist mir selbstverständlich klar, dass sich jeder Mensch genau jene menschlichen Spiegelbilder ins Leben holt, die er für seine Entwicklung braucht. Auch meine 95jährige Mutter gehört dazu. Wenn auch völlig unbewusst, ist sie am Verhalten des Pflegepersonals ihr gegenüber beteiligt, weil sie glaubt, keine liebevollere Behandlung zu verdienen.

 

Das wirft für mich jetzt die Frage auf, ob man als "böses" Spiegelbild (zum Beispiel angefressen sein, weil jemand roten Knopf drückt ... hilflose Personen endlos lange warten lassen ... frieren lassen ... nass im Bett liegen lassen ... keine Antwort geben, lieber vorbei rennen zum Aufenthaltsraum ... und so weiter und so fort) nicht

auch eine MITVERANTWORTUNG trägt am Leben der "gepeinigten" Person angesichts deren Hilfsbedürftigkeit? Ist es wirklich notwendig für die Pflegerinnen alter Menschen  die eigenen Emotionen in der aktuellen Situation voll auszuleben? Um damit den aller letzten Rest eines würdevollen Miteinanders auszulöschen? Ist es wirklich erstrebenswert, Frau oder Herrn XY damit in das endgültige Aufgeben zu treiben, damit endlich Ruhe herrscht? Könnte ich mich damit gut fühlen? Oder du?

 

Ich glaube, dass nur ganz wenig notwendig wäre, um das Leben unserer Alten in der Pflege nicht nur erträglich zu gestalten, sondern gar zu bereichern: Statt einem kalt geschnauztem Wort oder überhaupt keiner Antwort -> ein freundliches, ehrliches Wort. Statt oberflächlichem Getue -> eine freundliche, ehrliche Geste ... und so weiter und so fort.

 

Selbstverständlich kannst du diese Empfehlungen auch als junge oder mittelalterliche Person verwenden - wenn DU es willst.

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Kommentare: 8
  • #1

    Roswitha Rhomberg (Montag, 15 Januar 2018 06:20)

    .. danke liebe Christa für die "Aufmunterung und Bewußtmachung" für uns alle " ... Fritzi

  • #2

    Doris Smekal (Montag, 15 Januar 2018 15:48)

    Ich glaube auch, dass Zuwendung, Aufmerksamkeit und liebevolle Worte das Wichtigste sind, was unsere Oldies - eben wenn sie schon so betagt sind - benötigen. Hilflos zu sein im hohen Alter darf eben sein, auch wenn man ein sehr selbst bestimmtes Leben gelebt hat, das müssten halt die Pfleger vermitteln. Ich bin da für dich, mal gleich, mal mit etwas Wartezeit, aber du kannst dich auf mich verlassen. Ein Händedruck, ein Lächeln, oder eine kurze Umarmung - das verstehen beide!
    Liebe Christa, ich wünsche deiner Mama einen liebevollen Pflege-Engel an die Seite!
    Grüße Doris

  • #3

    Ingrid Bartunek (Dienstag, 16 Januar 2018 08:46)

    Liebe Christa Kössner!
    Im herbst vorigen Jahres habe ich das. Seminar zum Spiegelgesetzcoach absolviert. Und ich würde sagen, dass es Dein Spiegel zu sein scheint. Denn Du siehst die Dinge so wie sie Dir erscheinen und es bringt deine Emotionen in Wallung.

    Ich begleite Menschen mit Behinderung durch den Tag und ich kann nur dazu sagen, dass die Betreuer sehr gerne für Menschen mit Behinderung und auch alten Menschen Respekt und Würde entgegen bringen. Aber wie in allen Institutionen ist das Personal ganz knapp besetzt. Die Betreuer werden "schikaniert" immer mehr zu dokumentieren ( auch in Krankenhäuser) dass es fast blöd ist, dass auch noch Patienten da sind oder Menschen zu betreuen. Und zum Gelächter aus dem Dienstzimmer kann ich dazu sagen, dass auch Betreuer, KrankenpflegerInnen ein Recht auf Pause in der sie ungestört sein können haben. Sie sind keine Mütter die immer " online" sind. Wenn man bedenkt, dass in diesen Berufen Burnout am meisten vorkommt, sieht man dass dort sehr viel an Beziehunhsarbeit, Pflegetätigkeit geleistet wird. Ich ksnn Ihnen nur raten, wenn ihnen dieses Pflegeheim nicht zusagt, sollten sie das Gespräch mit der Leitung suchen oder das Heim wechseln. Oder die Mutter zu sich nehmen.
    Mit vielen respektvollen Grüßen

    Ingrid Bartunek

  • #4

    Dorit Bartosch (Dienstag, 16 Januar 2018 12:34)

    Bravo,das nenne ich auf den Punkt gebracht.

  • #5

    Dorit Bartosch (Dienstag, 16 Januar 2018 12:36)

    Ich meine den Komentar von Ingrid Bartunek

  • #6

    einfachChrista (Dienstag, 16 Januar 2018 14:15)

    Liebe Ingrid Bartunek,
    die Unterbesetzung in Pflegeabteilungen ist mir bekannt, auch die Protokolle und Listen, die von den Pflegerinnen zu machen sind. Es liegt mir fern, den Beruf des Pflegers minder wert zu schätzen. Ich habe lediglich um einen Hauch des freundlicheren Umgangs mit den Hilfsbedürftigen gebeten. Vielleicht um eine kleine Geste, die nur ein paar Sekunden dauert, die den alten Menschen beruhigt. Mit der Bemerkung, ich könne meine Mutter ja zu mir nehmen, bist du übers Ziel geschossen. Hätte ich die Möglichkeit dazu gehabt, hätte ich es vielleicht getan. Mit der Leitung bin ich in gutem, regelmäßigen Kontakt, dazu brauche ich keinen Rat. Mit respektvollen Grüßen für deine Arbeit wünsche ich dir eine gute Zeit.

  • #7

    Christine Novotny (Dienstag, 16 Januar 2018 14:58)

    Liebe Christa, es tut einfach weh zu sehen und mitzuerleben, wie ein alter Mensch nicht die Zuwendung, Achtung und Wertschätzung bekommt, die der/sie sich verdient. Erst recht, wenn es sich dabei um einen nahen Angehörigen oder sogar die eigene Mutter handelt.
    Auch wenn man verstehen und nachvollziehen kann, dass das Pflegepersonal sehr knapp bemessen und oft auch gewaltig überfordert ist, so wünscht man sich dennoch ein bisschen mehr Mitgefühl.
    "Verletze niemanden" lautet das einzige Gesetz der hawaianischen Hunas. Auch ein nicht Beachten, ignorieren oder gar laut werden älteren und/oder schwächeren Personen gegenüber ist eine Verletzung. . Dass es auch anders geht, beweisen genügend zum Teil private Altenheime nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland.
    Ich wünsche dir und deiner Mutter, dass sich für sie eine Pflegerin findet, die ihren Beruf wirklich als Berufung erkennt und ihre Pfleglinge liebevoll betreut.
    Alles Liebe - Christine

  • #8

    ingrid aichinger (Sonntag, 21 Januar 2018 19:14)

    Liebe Leute,
    ich habe gerade mein erstes Buch Schlüssel zum Glücklich-Sein gelesen. Bin also Neueinsteigerin. Es hat mich sehr inspiriert. Jetzt gerade lese ich den Artikel von Frau Christa Kössner und mein erster Gedanke war-wo bleibt den da das Spiegelgesetz - und war fast ein bißchen enttäuscht. Es dürfte also auch für Experten nicht so einfach sein. Werde mich trotzden weiter mit dem Thema beschäftigen.

    Wir sind alle nur Menschen
    in diesem Sinne liebe Grüße Ingrid

Christa Kössner

willkommen@einfachChrista.at

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